Auch Kinder haben Rechte. Doch die Umsetzung ist mühselig und auf politischem Weg nur schwer umsetzbar.
Ganz so schlimm wie damals vor rund hundert Jahren, als zum ersten Mal eine mutige Engländerin mit dem Namen Eglantyne Jebb auf die Strassen Londons ging, um für die Rechte der Kinder zu kämpfen und für dieses Engagement verhaftet wurde, ist es in unseren Breitengraden mit den Rechten der Kinder glücklicherweise nicht mehr. Damals vor hundert Jahren ging es darum, dass beispielsweise in Österreich, Deutschland und Ungarn Kinder aus Hunger starben und gegen diesen Umstand kämpfte die engagierte Frau. Die Forderung der Engländerin, die Kinder mit Nahrung und Medizin zu versorgen, wurde von ihren MitbürgerInnen als Verrat am eigenen Heimatland empfunden, waren doch das die Kinder der Kriegsgegner aus dem 1. Weltkrieg und viele Menschen waren der Ansicht, würde man diese Kinder unterstützen und aufpäppeln, diese nur den nächsten Krieg anzetteln würden.
Ein Denkmuster, das Eglantyne Jebb nicht unterstützte. Sie fand es unrecht, dass Kinder aus Hunger und Unterversorgung sterben mussten und sah einfach nur den Umstand, dass es sich um Kinder handelte und denen wollte sie helfen oder wie sie es selber nannte ‒ «die Welt richtiger machen». Ein hehres Ziel und die Engländerin wurde mit ihrem Anliegen sogar beim Völkerbund vorstellig. Dieser verabschiedete im Jahr 1924 mit der Déclaration de Genève die ersten Kinderrechte. Zehn Jahre später wurden diese noch einmal durch den Völkerbund bestätigt. Doch dann kam der 2. Weltkrieg.
Erst 1954 wurde die «Deklaration über die Rechte des Kindes» durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet und 1989 kam es dann zu der UN-Kinderrechtskonvention, welche auch von der Schweiz unterschrieben wurde. Ein kleines Detail am Rande ‒ die UN-Kinderrechtskonvention wurde bis heute von einem UN-Mitgliedsland nicht ratifiziert, nämlich den USA. Ob es dadurch um die Rechte der Kinder in Amerika schlechter steht, möge jede LeserIn selbst entscheiden. Wichtiger nach 30 Jahren Kinderrechtskonvention ist wohl vielmehr, wo die Schweiz mit der Umsetzung der Rechte für Kinder steht.
Überdurchschnittliches leistet die Schweiz nicht gerade, aber ganz schlecht steht es um sie auch nicht. Trotzdem würde es ihr wohl gut anstehen, wenn sie sich noch vermehrter und engagierter für die Rechte der Kinder einsetzen würde. Ein grosser Schwachpunkt ist beispielsweise, dass es auch in der reichen Schweiz «arme Kinder» gibt. Kinder, die nicht die gleichen Chancen haben wie ihre AlterskollegInnen. Dies äussert sich beispielsweise darin, dass ältere Geschwister sich überproportional um ihre jüngeren Geschwister kümmern müssen und dann am nächsten Morgen so müde sind, so dass sie in der Schule einschlafen oder keine Zeit hatten die Hausaufgaben zu machen. Sie besuchen zwar aufgrund der herrschenden Schulpflicht die Schule, haben aber nicht wirklich die Chance dem Schulstoff zu folgen. Auch Nachhilfestunden können sich nicht alle Eltern leisten, geschweige denn Musikunterricht. Auch aus medizinischer Sicht sind unsere Kinder ganz passabel versorgt, durch die Grundversicherung der Krankenkasse. Aber auch hier gilt, zum Arzt können nur diejenigen, die es sich im Endeffekt leisten können.
In einem wesentlichen Punkt hapert es auch in der Schweiz nach wie vor. Kinder sollten angehört werden und die Möglichkeit haben, ihre Anliegen und Bedenken zu formulieren, denn auch sie haben etwas zu sagen, man denke dabei nur an die aktuelle Klimadiskussion. Solche Plattformen, in denen sich Kindern äussern können und auch tatsächlich angehört werden, fehlt es in der Schweiz nach wie vor. In diesem Sinne bleibt auch nach 30 Jahren Kinderrechtskonvention viel zu tun, nicht nur in der 3. Welt, sondern direkt vor der eigenen Haustür.
Bettina Leemann
24. November 2019
Bild: zVg