Der Kanton Aargau ist bekannt dafür, dass er Stipendien an Studierende sehr restriktiv vergibt. Mit dem neuen Stipendiengesetz soll sich dies noch einmal verschärfen.
Sparen im Bereich der Bildung löst im Kanton Aargau immer wieder heftige Diskussionen aus. Denn was tatsächlich notwendig ist und was nicht, darüber gehen die Meinungen naturgemäss weit auseinander. Ein neues Einsparungspotential hat der Grosse Rat bei der Vergabe der Stipendien entdeckt. Völlig in Ordnung finden die entsprechende Änderung des Ausbildungsbeitragsgesetzes vor allem bürgerliche Kreise. Doch gegen das neue Stipendiengesetz wurde das Behördenreferendum ergriffen. Nun kann sich die Aargauer Bevölkerung selbst eine Meinung darüber machen. Eines ist sicher. Wird das neue Stipendiengesetz angenommen, dann wird der Kanton Aargau, was den Stipendienaufwand betrifft, schweizweit auf den letzten Platz rutschen. Bereits jetzt liegt der Kanton Aargau unter dem gesamtschweizerischen Durchschnitt.
Die vorgeschlagenen Einsparungen werfen die eine oder andere Frage auf. Neu sieht der Grosse Rat ein sogenanntes Splittingmodell vor. Das bedeutet, dass StudentInnen zwei Drittel ihres Ausbildungsbeitrags in Form eines Stipendiums und und ein Drittel als rückzahlpflichtiges zinsloses Darlehen erhalten sollen. Dieses zinslose Darlehen müssen die StudentInnen innerhalb von 10 Jahren nach Abschluss der Ausbildung zurück zahlen. Das tönt so weit ganz gut.
Aber, werte Leserschaft, wer bitte möchte nach der Mittelschule, der Fachhochschule oder der Uni mit einem Schuldenberg in das Berufsleben starten?. Die PolitikerInnen gehen davon aus, dass man dadurch den Anreiz für die Studierenden erhöht, neben dem Studium zu arbeiten. Vergessen wird dabei allerdings, dass ein Studentenjob Zeit braucht, die fürs Studium fehlt. So zieht sich die Studiendauer automatisch in die Länge. Weiter wird auch vergessen, dass Studentenjobs heute nicht mehr so einfach zu finden sind. Liebe PolitikerInnen: Das Leben da draussen ist schon lange nicht mehr so einfach, wie es früher vielleicht war. Ausserdem wird häufig von den Studierenden verlangt, besser zügig und zielstrebig das Studium voranzutreiben. Ansonsten winkt der Stempel des «ewigen Studenten».
Nicht ganz richtig ist auch die Annahme, dass ja schliesslich Lehrlinge ihre Berufsausbildung selber bezahlen müssen. Die Berufslehre ist auch nicht gratis. Und haben Sie schon einmal gehört, dass Studenten einen Lehrlingslohn bekommen?
Da bleibt noch das Argument, dass man nach einem Studium mit einem höheren Einkommen rechnen kann. Aber auch das geht leider nicht einfach so auf. Meist folgen nach dem Abschluss des Studiums Jahre, in denen man sich mit Praktika und Assistenzen erste fachspezifische Berufserfahrungen aneignen muss. Dies alles zu Löhnen, die weit davon entfernt sind, dem Ausbildungsniveau gerecht zu werden. Hat man es schliesslich dann doch geschafft, dann liegt zwar der Lohn höher, aber man muss auch deutlich mehr Steuern bezahlen. Der Staat kommt also sowieso auf seine Kosten.
Kleinkariertes und knauseriges Denken kann schnell einmal zum Bumerang werden. Die Gefahr besteht, dass begabte junge Leute aus weniger guten Kreisen unter den Bedingungen des vorgesehenen Stipendiengesetzes gar nicht mit einer Ausbildung beginnen. Oder sie versuchen daneben zu arbeiten und brechen die Ausbildung gar ab, weil die Doppelbelastung nicht zu bewältigen ist. Chancengleichheit durch alle Bevölkerungsschichten gemäss den eigenen Talenten sieht mit Verlaub anders aus.
Bettina Leemann
17. Februar 2018
Bild: Richard Wurz