Wenigstens für eine Nacht
Im Mittelpunkt des Gespräches stand nicht der den meisten Leuten aufgrund von Fotos bekannten «klassischen» Clochard, der mit einer Plastiktasche mit seinen Habseligkeiten unterwegs ist und irgendwo seinen Alltag und die Nacht in einem Park, auf einer Bank oder geschützten Ecke verbringt. Die Rede war von den Menschen, die jegliche Strukturen eingebüsst haben – die Obdachlosen. Es seien Menschen, die aufgrund des Verlustes der Arbeitsstelle oder familiären Zwistigkeiten verbunden mit übermässigem Genuss von Alkohol oder anderen Drogen in eine Spirale gestürzt seien, die sich immer schneller drehe und sie keine Strukturen für die Gestaltung ihres Alltags mehr haben, erklärte Susi Horvath. Sie sei überzeugt, dass man von der Situation der Obdachlosen wisse, aber man interessiere sich einfach nicht dafür. Susi Horvath hielt dazu klar fest, dass man die Situation nicht ausradieren könne und es sei verwerflich, die Abgestürzten – die Obdachlosen - einfach als Abschaum abzustempeln oder ihnen vorzuwerfen, sie seien selber schuld.
Eine wichtige Anlaufstelle
Die Notschlafstelle in Baden ist für die Obdachlosen vielfach das letzte Haus, wo sie ohne langes Wenn und Aber eintreten und eine oder mehrere Nächte in einem geschützten Rahmen verbringen können und auf Ansprechpartner:innen treffen, die sie einfach akzeptieren als Mensch wie sie sind, zuhören und ihnen mögliche Wege für einen Ausweg aus der Situation aufzeigen. Susi Horvath hielt dazu aber fest, dass sie hinsehen, zuhören, die Hand als Hilfe anbieten, aber keinesfalls wolle man die Bewohner:innen zwingen etwas zu tun und fügte an: «Wenn ein Mensch Hilfe braucht, bin ich da – auch mir könnte das passieren.» Der grösste Teil der Besucher:innen sei zwischen 30 und 60 Jahre alt und es seien bedeutend mehr Männer als Frauen. Sie haben eine berufliche Ausbildung und waren berufstätig. Dann sei vielfach der Alkohol «dazwischen» gekommen, sie verloren die Arbeitsstelle, dann die Familie, dann die Wohnung – und es war so weit, sie fielen vom «Karren», erklärte Susi Horvath.
Eine Notschlafstelle genügt nicht
Das Haus für die Obachlosen in Baden ist die einzige Notschlafstelle im Kanton Aargau und existiert seit 2019. Sie umfasst siebzehn Schlafplätze, davon vier für Frauen reserviert, und steht für Männer und Frauen ab 18 Jahren offen. Für 5 Franken erhalten die Obdachlosen ein Bett, Duschmöglichkeit, ihre Wäsche wird gewaschen, ein Abendessen und ein Frühstück. «Er oder sie kann am Abend kommen, am Morgen gehen, und muss ausser den Hausregeln einhalten nichts machen», meinte Susi Horvath mit einem Lächeln. Die «restlichen» 95 Franken finanziert der Verein Notschlafstelle, der finanziell vom Kanton Aargau, Katholische Landeskirche Aargau, Reformierte Kirchgemeinde Badenplus sowie Privatpersonen, Kirchgemeinden und Organisationen
Susi Horvath..
unterstützt wird. Diesbezüglich wies Susi Horvath darauf, dass Notschlafstellen nicht in der Aufgabe des Kantons liege, sondern die Situation müsse von den einzelnen Gemeinden organisiert und finanziert werden. Das heisst, dass jede Gemeinde für sich oder in einem Gemeindeverbund eine Notschlafstelle zur Verfügung stellen müsste, hielt Susi Horvath fest. Angesprochen auf Probleme des Standortes hielt sie fest, dass man in den sechs Jahren im besten Einvernehmen mit der Umgebung im Quartier die Notschlafstelle betreiben könne. Die Gesellschaft, vor allem aber die Politik müsse endlich einmal hinschauen, was im Bereich Obdachlosigkeit ablaufe und entsprechend handeln, forderte Susi Horwath. Es sollte beachtet werden, dass es nicht besser, sondern eher schlimmer werde. Zum Abschluss des Gespräches hatte sie aber versöhnliche Worte: «In den letzten vier Jahren hat eine positive Wandlung im Verständnis gegenüber den Anliegen der Obdachlosen und der Zusammenarbeit stattgefunden – es tut sich was.»
Richard Wurz
31. August 2025
Bilder: ©Bruno Rotach
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