Man stelle sich vor, es ist auch in diesem Jahr Weihnachten geworden. Trotz allen Widerwärtigkeiten steht das grosse christliche Fest wie ein Fels in der Brandung und aus dem Radio klingt unermüdlich «Stille Nacht, Heilige Nacht».
Es ist ein seltsames Fest, dass wir da feiern und doch bleibt die Frage im Raum, warum es uns so trifft. Als im April die Ostertage abgesagt wurden, wurde bei Weitem nicht so sehr gestöhnt. Liegt es wirklich nur am fehlenden Licht, der Wärme? Nun eigentlich wollte ich hier eine Weihnachtsgeschichte schreiben, aber mehr denn je machen uns diese Tage bewusst, was wir nur allzu gerne vergessen.
Ein gemeinsames Leben ist nur möglich, wenn wir uns gegenseitig unterstützen. Wenn wir uns untereinander solidarisch zeigen. Natürlich wird es in diesem Jahr schwierig die Leute, die niemanden haben, zu sich an den Weihnachtstisch einzuladen. Aber es gibt auch noch andere Möglichkeiten, ein Zeichen der Solidarität des Lichtes zu schicken. Sei dies mit einem Brief, oder eine reich gefüllten Kecksdose im Briefkasten. Vielleicht nimmt man auch den Telefonhörer in die Hand und spricht mit jemanden, den man schon lange nicht mehr gehört hat. Das alles kann durchaus bereichernd sein.
Denken wir aber auch an die vielen Menschen, die in diesen Tagen auf der Flucht sind, wie damals Josef und Maria. In der aktuellen Zeit wird es etwas schwierig ihnen ein Dach über dem Kopf zu geben. Sie alle trifft diese Pandemie noch viel härter. Unter welchen hygienischen Bedingungen finden sie eine Unterkunft. Wer sorgt für warme Decken und eine warme Mahlzeit. Ich habe ein bisschen den Eindruck, dass wir über alle diese Schrecken sich nicht mit dem Coronavirus anzustecken einmal mehr diejenigen Menschen aus dem Blick verloren haben, denen es noch viel schlechter geht als uns allen.
Wir haben nach wie vor genügend zu Essen, wir können uns Schutzmasken leisten und in den meisten Fällen den sozialen Begegnungen, die wir nicht wünschen, aus dem Weg gehen. Doch wie sieht das in einer Notunterkunft oder in einem Flüchtlingslager aus? Zustände, die wir uns wohl alle nicht vorstellen können. Da sitzen wir in der warmen Stube und versuchen uns virusfrei zu halten, während andere nach wie vor Tag für Tag um das nackte Überleben kämpfen.
Ja, wir müssen im Moment auf Vieles verzichten und uns einschränken. Diese Zeit wird nicht spurlos an uns vorbei gehen, aber wir sind nach wie vor dazu aufgefordert, uns solidarisch zu zeigen und dort zu helfen, wo wir unsere Möglichkeiten haben, denn schliesslich geht es an Weihnachten um das Fest der Liebe, um Hoffnung und um Grosszügigkeit.
In diesem Sinne gesegnete Weihnachtstage.
Bettina Leemann
25. Dezember 2020
Bild: Bettina Leemann