Den besten Film und das beste Buch des Jahres 2022 kennt man, nun bemüht sich die «Sprachkritische Aktion» das beste Unwort zu küren.
Es ist bemerkenswert, dass sich seit 1991 jedes Jahr Sprachwissenschaftler:innen zusammen setzen und aus hunderten von Vorschlägen das «Unwort des Jahres» heraus kristallisieren und ihm einen Preis verleihen. Damit wolle man, so ist nachzulesen, auf unangemessenen, verschleiernden oder gar diffamierenden öffentlichen Sprachgebrauch aufmerksam machen und mit der Preisverleihung die Öffentlichkeit im Umgang mit der Sprache sensibilisieren. Mit Verlaub sei angefügt, dass die Vorsilbe «un-» im ursprünglichen Sinn eine Negation ist und somit das Unwort gar kein Wort ist. Das Unwort hat aber seine Bedeutung nicht als Wort, sondern als Bezeichnung einer Situation in kürzester Form in abfälliger, abwertender und inhumaner Form.
Das ist hoffentlich einigermassen verständlich, bleibt aber als Ganzes gesehen doch verwirrend und irritiert einem im Umgang mit dem Wort im alltäglichen Gebrauch. Aber wahrscheinlich muss man sich damit abfinden, es gibt viele preisgekrönte Filme und Bücher und noch viel mehr Unwörter, die in der vielfältigen Sprachenwelt im privaten und beruflichen Alltag angewendet werden und einfach so wie nebenbei für den Betroffenen abwertend und verletzend sein können. Es sei aber die Frage erlaubt, ob denn nicht viele Wörter in der Aussage positiv sind, aber eigentlich nur vorgeben etwas bewirken zu wollen, nicht auch dem Bereich «Unwort» zugeordnet werden sollten.
Die kurze Auseinandersetzung mit dem Wort und dem Sinn der Preisverleihung des «Unwort des Jahres» haben mich nachdenklich gestimmt, so dass ich mich auf die Suche nach einem im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Alltag viel verwendeten Wort machte. Es wurde eine ganze Liste, aber letztlich ist das am Schluss vieler Gespräche und Reden noch angefügte Wort «versprochen» geblieben. Es werden auch im Jahr 2023 wieder von allen Seiten viele Versprechen abgegeben, die aus den verschiedensten Gründen nicht eingelöst werden können. Daher sollen alle Menschen, die immer wieder glauben ein Versprechen abgeben zu müssen, ein bisschen entlastet werden und das in allen Belangen gebrauchte Wort «versprochen» zum «Unwort» erklärt wird – ausser es hat seinen berechtigten Platz.
Liebe Leser:innen, ich wünsche Ihnen im Jahr 2023 viele wohltuende Momente, einen langen Atem.und immer wieder ein gutes Wort.
Richard Wurz
1. Januar 2023
Bild: Zeichnung von Andreas Hofer, Bremgarten, www.andreashofer.ch