Das gehört in die Geschichtsbücher, dass der Kunde König ist.
Zu erinnern vermag sich wohl nur noch die etwas ältere Generation, dass einst der Spruch «Der Kunde ist König» wirklich seine Gültigkeit hatte ‒ und die jüngere Generation wird es einmal nachlesen und kaum glauben können, dass es dies tatsächlich einst gab. Längst haben sie sich an die Neuerungen der Marktwirtschaft gewöhnt und empfinden es als selbstverständlich, dass sie Leistungen für den Handel kostenlos übernehmen müssen. Die Anbieter sind mit Schlagwörtern wie technologischen Fortschritt und verbesserte Dienstleistungen auf den Zug der Selbstbedienung in allen Bereichen aufgesprungen ‒ sprich «Wir bieten an, der Kunde leistet die Arbeit». Dass man das Auto selber tankt gehört zum Alltag, ohne Einfluss auf einen günstigeren Benzinpreis. Inzwischen ist dieser angepriesene Fortschritt aber zu einem Flächenbrand zuungunsten der Kundschaft geworden. Bei den grossen Detailhändler ist man schon fast beleidigt, wenn man die Ware nicht selber einscannt und mit Karte zahlt (möglichst mit der entsprechenden Firmenkarte). Das Flugticket und das Bahnbillett kauft man via Handy oder Internet ein, das erspart den Unternehmen das Schalterpersonal. Und Einzahlungen löst man selbstverständlich Online aus. Das macht es möglich weiter Poststellen abzubauen, an den Bancomaten kann man via Videotelefon mit den Banken kommunizieren und einen bedienten Bahnhof zu finden ist schon eine Sisyphusarbeit.
So ist inzwischen der Kunde vom König zum Diener geworden ‒ sprich der wertvollste Mitarbeiter ohne Lohn. Er ist auch auf eigene Kosten dafür verantwortlich, dass das Betriebssystem seines Computers stets auf dem neuesten Stand ist. Allfällige Hilfestellungen holt man sich auf Online-Foren, auf Social-Media oder bei Freunden mit diesbezüglichen Erfahrungen. Diese von den Unternehmen viel gepriesene Fortschrittsbewegung setzt aber grundsätzlich voraus, dass sich Jung und Alt die entsprechende Hardware anschafft, sich auf eigene Kosten aus- und weiterbildet, unabhängig davon, ob es machbar ist. Denn ohne aktuelle Internetverbindung und Handy ist man in der Konsumwelt sozusagen am Ende angekommen, denn bald geht sonst nichts mehr.
Diese Veränderungen hat wie man seitens der Wirtschaft nachlesen kann, der Kunde selbst verursacht, denn er bevorzuge unter anderem E-Banking und Billettautomaten. Da sei mit Verlaub die Frage gestellt, ob denn nicht die Firmen die Kunden einfach zur Nutzung der modernen Technologie zwingen, um diese als Arbeitskraft zu nutzen. Damit sparen sie Personalkosten und fördern die eigene Gewinnmaximierung. Dass dabei die Serviceleistungen einen massiven Abbau erleiden, scheint ihnen unwesentlich zu sein. Man darf sich schon fragen, welche Dienstleistungen die Unternehmen noch bieten respektive wer leistet denn hier wem einen Dienst? Es muss angenommen werden, dass es die Händler schaffen und die junge und kommende Generation nicht mehr realisiert, was sie alles auf eigene Kosten zugunsten der Unternehmen macht. Und man darf gespannt sein, wann die erste Gewerkschaft der Kunden gegründet wird, Gründe dazu gäbe es genügend.
Richard Wurz
7. Juni 2017
Bild:zVg