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Ob das alles wahr ist, liess Irene Briner offen.
Kafi-Tratsch
Vom Märli in den Alltag mit der Geschichtenerzählerin Irene Briner am Kafi-Tratsch von freiamtplus und dem Café Spatz in Bremgarten.
Datum: 26. November 2018

Vom Märli in den Alltag mit der Geschichtenerzählerin Irene Briner am Kafi-Tratsch von freiamtplus und dem Café Spatz in Bremgarten.

Den letzten Kafi-Tratsch im laufenden Jahr wollte man nicht verpassen. So war das «Spatz» bis auf den letzten Stuhl besetzt, ja sogar die Treppe musste noch als Sitzplatz recht sein. Wer davon ausging, dass man jetzt mit Irene Briner eine Märlistunde erleben kann, musste sich im positiven Sinn eines Besseren belehren lassen. Mit ihr ging man auf einen Lehrgang durch die Bedeutung der Märchenwelt. Man erfuhr wie eng diese mit unserem Alltag respektive mit unserer Gesellschaft verbunden und damit auch brandaktuell ist.

Letztlich ist es ein Tricksen
Man könne mit Geschichten aus der Märchenwelt Bilder in den Köpfen der Menschen auslösen und merke dann so im Nachhinein, dass man wieder einmal anderen auf die Füsse getreten sei, meinte Irene Briner. Dabei erklärte sie mit Hilfe des Märchenmotivs des «Gestiefelten Katers» , das seinen Ursprung beim Italiener Giovanni Francesco Straparola (1480 bis 1558) hat, wie sich Katzen und Kater in den Geschichten grundsätzlich unterscheiden. Der Kater in sich sei eigentlich ein faules, um nicht zu sagen nicht gerade nützliches Tier und wenn ihm etwas nicht in den Kram passe, dann sei er sehr direkt. So drohe der Kater in der französischen Version den anderen mit den Worten: «Wenn Ihr nicht spurt, dann werdet Ihr zu Pastetenfleisch.» Da sei die Katze bei Francesco Straparola viel indirekter. Hier weist die Katze die Menschen darauf hin, dass sie etwas geschehen lassen könne, wenn sie nicht nach ihrem Willen verfahren würden. Bei Straparola ist die Katze auch eine äusserst geschickte Jägerin, bei der sogar ein lahmer Hase seines Lebens nicht sicher ist. Ganz nach dem Gedanken, es gebe eh genug Hasen und was soll ein lahmes Exemplar mehr davon. Die Katze musste früher ihr Handwerk erlernen, erklärte Irene Briner, und wusste was sie wie und wo fangen konnte. «Es war sinnvoll einen Vorrat an Futter anzulegen, doch dazu hat es eine Katze gebraucht und nicht einen Kater.» So habe auch die Katze Abwechslung auf den Tisch gebracht. Insgesamt wurde während dieser Stunde der Geschichten deutlich, dass es die Katze war, auch wenn sie zwischendurch mal zum gestiefelten Kater wurde, welche die sozial-gesellschaftliche Welt mitbestimmte und nicht der Kater, der wie der damalige König vor lauter Bediensteten nicht wusste, was um ihn herum geschah. Es ist ein Tricksen der Figur, meinte Irene Briner mit einem Lächeln, man muss sie nur richtig einsetzen.

Es bleibt der Punkt
Natürlich fanden auch die Gebrüder Grimm ihren Platz in dieser Geschichtsstunde der Märchenwelt, die eigentlich mit ihren Geschichten ihre Leserschaft auf eine falsche Spur gesetzt, um nicht zu sagen belogen haben. Ihre Erzählungen kommen ja so volksverbunden daher, dabei sind aufgrund von Erzählungen in der Kasseler Wohnung der Gebrüder entstanden. Irene Briner erinnerte aber daran, dass die Gebrüder Grimm eigentlich Sprachwissenschaftler waren und die Eckpfeiler für die heutige deutsche Grammatik setzten. So waren sie für die Kleinschreibung, denn die Grossschreibung sollte reserviert sein für wirklich bedeutende Aussagen wie zum Beispiel ICH. Es gebe Regelmässigkeiten, so Irene Briner, das heisst, am Ende nicht nur eines Satzes, sondern einer ganzen Geschichte stehe der Punkt ‒ der Schlusspunkt als Endeffekt. Hingegen sei im Märchen der Doppelpunkt für sie massgebend, denn so könne man das, was vorher stehe, mitnehmen und mit dem, was nach dem Doppelpunkt steht, zu einem ganzen Bild machen.
Auf eine tiefenpsychologische Deutung wollte sie sich nicht einlassen. «Das ist etwas heikel, denn man kann eigentlich alles 1:1 aus dem Märchen auf den Menschen übertragen und dann werden Märchen zur Sozialgeschichte.» Dem kann man zustimmen, aber es sei erlaubt anzufügen, dass Irene Briner gerade dies gekonnt und aufschlussreich mit ihrer Erzählkunst im Kafi-Tratsch während einer Stunde gemacht hat.

Richard Wurz
26. November 2018
Bilder: Bettina Leemann

Der Kafi-Tratsch macht jetzt eine Pause. Die Fortsetzung folgt ab Januar 2019 und der erste Kafi-Tratsch im Neuen Jahr findet am Samtag, 17. Januar 2019, wie gewohnt um 10 Uhr im Café Spatz statt.

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