
Beide Seiten müssen bereit sein
Die Jugendzeit habe sie in Afghanistan erlebt und in Erinnerung bleiben zwei Welten. Mit dem Kriegsausbruch in den 1980er Jahren habe sich alles verändert – von einem ruhigen Familienleben mit Schulbesuch in ein Leben voller Gewalt. Die Existenz sei sehr schwierig gewesen und es war Eigenverantwortung das Haus zu verlassen, denn man habe nicht gewusst, ob man lebend zurückkam. So habe sie 1985 Afghanistan verlassen und sei nie mehr zurückgekehrt. In Moskau habe sie Wirtschaft studiert und 1990 sei sie mit ihrem damaligen Mann mit einem Touristenvisum in die Schweiz gereist. Nachgefragt ob das einfach so möglich war, meinte sie mit einem Lächeln, dass Vitamin B (Geld) vieles möglich mache. Sie habe arbeiten wollen, aber ihr Abschluss des Studiums wurde nicht anerkannt. «Man begann wieder bei Null und versuchte aus dem Keller herauszukommen.» Es sei eine sehr schwierige Zeit gewesen mit dem Leben in den Containern und keiner Unterstützung. Die deutsche Sprache habe sie selber erlernen müssen, denn es fand sich niemand, der ihr die Sprache erklärte wie zum Beispiel die Aussprache der Buchstaben. Eine Arbeit habe sie dann gefunden in einem Altersheim, aber bei der Wohnungssuche sei auf einen Freund angewiesen gewesen – sprich Vitamin B. Seitens der Sozialarbeiterin habe sie keine Unterstützung erhalten.
Einen Weg gefunden
So rückblickend auf ihre 35-jährige Zeit in der Schweiz, meinte Lailama Horat, die inzwischen eingebürgert ist, dass sie eine afghanische Frau bleibe, aber nicht mehr in ihr Heimatland zurückkehren wolle. Sie fügte aber an: «Wir sind Migrant:innen und brauchen Unterstützung, müssen aber unseren Beitrag auch leisten.» Sie arbeite unter anderem als Schlüsselperson bei der Fachstelle für Integration Freiamt und interkulturelle Dolmetscherin bei anderen Organisationen (Heks, Caritas) und erlebe so die Ist-Situation der Flüchtlinge. Man müsse aber beachten, dass es einem Teil der geflüchteten Menschen mit Unterstützung es schaffen, aber jene, die einfach da sind und in einem Keller oder in Luftschutzräumen bei schlechten Bedingungen aufgrund fehlender Kapazitäten leben müssen, sei es schwierig etwas Richtung Integration mit-bewirken zu können. Sie hielt aber fest, dass jenen Flüchtlingen, denen es aufgrund ihres Aufenthaltes möglich ist und die Fachstelle aufsuchen in den Prozess eingeführt und dabei begleitet werden.
Lailama Horat
Auf ihr berufliches Umfeld als interkulturelle Dolmetscherin angesprochen, erklärte Lailama Horat, dass sie in Bezug auf die Lebensberichte der Flüchtlinge der Schweigepflicht unterstellt sei. Sie habe Unterstützung seitens der Institutionen, aber letztlich müsse sie es selbst verarbeiten, um sich schützen zu können. Es sei stets eine Herausforderung, wenn sie die Geschichten, speziell von Frauen, die geschlagen, missbraucht und gefoltert werden, übersetzen müsse. In ihrer Arbeit erlebe sie aber auch, dass die Abläufe im Kanton sehr kompliziert seien und man sich auf den Sozialämtern vielfach damit begnüge das bescheidene Sackgeld für den Lebensalltag auszuzahlen. In den über dreissig Jahren Schweiz habe sich aber auch sehr viel Positives geändert, um der Situation gerecht zu werden, aber es fehlen Kapazitäten. Es gebe viele soziale Institutionen und Fachstellen in der Schweiz, aber letztlich seien es auf beiden Seiten Menschen.
Die Angebote für die Migrant:innen seien ausgebaut worden. So zum Beispiel in der Gemeinde Wohlen, die eine professionelle Fachstelle für Integration im Freiamt mit einem starken Netzwerk von Freiwilligen hat. Da werden Migrant:innen beraten, unterstützt und auf ihrem Weg begleitet. Lailama Horat bringt es auf den Punkt: «Mit einer offenen Zusammenarbeit schaffen wir eine Gemeinschaft.»
Richard Wurz
7. Mai 2025
Bilder: Patrick Honegger
Illustration: Beatrix Motsch
Der nächste Kafi-Tratsch findet am Samstag, 24. Mai, um 10 Uhr im Foyer des Kellertheaters Bremgarten statt. Weitere Informationen unter www.freiamtplus.ch