Der Kanton Aargau als Industriekanton kann auf eine lange Tradition zurückblicken. Auch hier im Freiamt und der näheren und weiteren Umgebung gab es bedeutende Industriezweige ‒ ein spezieller ist derjenige der Herstellung von Konfitüren.
Oftmals war die Gründung einer Fabrik, eines industriellen Unternehmens an die Wasserkraft gebunden. So ist es nicht verwunderlich, dass grosse Fabrikanlagen an den Flüssen und teilweise auch Bächen gebaut wurden. Hält man sich den Kanton Aargau vor Augen, dann fällt es einem nicht schwer, viele Gewässer zu entdecken, die für die verschiedensten Industrien genutzt wurden. Auffallend ist aber auch, dass gerade im Freiamt, aber auch in Lenzburg bis heute weltbekannte Konzerne ihre Standorte haben, die nicht an die Wasserkraft gebunden sind. Man denke nur an die Schuhfabrik Bally in Dottikon, die Strohindustrie in Wohlen oder die Konservenfabrik Hero in Lenzburg. Sie alle sind nicht zwingend an ihrem Standort an das Wasser gebunden und doch haben sie hier ideale Standorte gefunden.
Zwei Namen im Markennamen
Gerade für die Hero stimmt dies im Speziellen. Im Herbst 1885 trafen sich zwei ehemalige Schulkameraden zufällig in Einsiedeln: Gustav Henckell, tätig für eine Münchner Konservenfabrik, und Gustav Zeiler, Obergärtner in der Baumschule Grossmann in Aarau. Die beiden aus Hannover stammenden Deutschen beschlossen, in der Schweiz eine Konservenfabrik zu gründen. Die Fabrik sollte in Lenzburg stehen, denn Gustav Zeiler wusste um die günstigen klimatischen Verhältnisse. Ausserdem hatte Lenzburg einen Bahnhof der Nationalbahn und auch die Südbahn durchs Freiamt war eben fertig geworden. Seit 1899 hatte die Fabrik dann einen direkten Gleisanschluss. Ende 1886 stiess der aus Lenzburg stammende Karl Roth hinzu. Er brachte wichtige Kontakte zu finanzstarken Personen aus der Region mit, ein Netzwerk, welches der jungen Firma in den harten Anfangsjahren finanziell unter die Arme griff. 1888 starb Gustav Zeiler überraschend. Die Firma wurde in Henckell und Roth umbenannt. Die beiden Anfangsbuchstaben dieser beiden Gründernamen bildeten später den Markennamen «Hero».
Die Konservierung von Nahrung Den Gründern der Firma war sehr schnell bewusst, dass die geernteten Früchte und Gemüse rasch konserviert werden mussten. Nach einer ersten Qualitätsprüfung wurden die landwirtschaftlichen Erzeugnisse sofort in die Waschanlage gebracht. Danach verlief der Produktionsprozess je nach Ausgangsprodukt und gewünschtem Endprodukt etwas anders. Bei den Dosenkonserven wurden die Produkte zusammen mit einer Flüssigkeit (Zuckerlösung bei Früchten, Salzwasser bei Gemüse) in Dosen gefüllt. Die Dosen wurden blitzschnell luftdicht verschlossen und in grossen Kochtöpfen, so genannten Autoklaven, unter Überdruck sterilisiert. Bei der Herstellung der Konfitüren wurden die Früchte zusammen mit Zucker in grossen Vakuumkesseln, welche ein Kochen bei niederen Temperaturen erlaubten, eingekocht. Gemeinsam war allen Produkten der Hero, dass sie einer stetigen und strengen Prüfung durch Chemiker und Experten unterstanden, um eine gleich bleibende Qualität zu garantieren. Die Produkte aus der Hero waren vor allem auch in den beiden Weltkriegen von grosser Bedeutung und bei der Schweizer Armee beliebt, weil die Konserven eben lange haltbar waren. Auch nach dem 2. Weltkrieg konnte Hero ihre Produktion weiter ausbauen.
1972 gelang der Firma einen Revolution in der Dosenproduktion. Die Innovation bestand aus der weissen Innenlackierung des Blechs, welche die Produkte in der Dose fortan geschmacksneutral machte. Die porzellanweisse Dose war geboren. In der heutigen Zeit des Covenience Food hat die Konservendose längst ihre Bedeutung verloren. Doch die Firma Hero in Lenzburg produziert noch heute Konfitüre. Seit 2011 am neuen Standort am Rande von Lenzburg direkt am Eingang zum Freiamt. Dieses Mal mit direktem Autobahnanschluss und nicht mehr mit Bahnanschluss.
Bettina Leemann
05.September 2019
Bild: ETH-Bibliothek Zürich
Weitere Informationen zum Industriekanton Aargau findet man unter www.industrieweltaargau.ch