Kindern eine Stimme geben
Die Sucht und die Elternschaft und die Auswirkungen auf die Kinder ist seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Es ist aber nach wie vor ein steiniger Weg dieses Thema zu enttabuisieren und die Kinder aus suchtbelasteten Familien leiden weiterhin (häufig) im Stillen. Das Bewusstsein, dass Sucht eine Krankheit ist, sei allgemein in den vergangenen Jahren stärker geworden, hielt Vanessa Caminada, Schulsozialarbeiterin in Wohlen, im Gespräch fest, aber in der persönlichen Haltung der Leute schwinge vielfach noch mit, dass die Betroffenen selber schuld sind. Solche Schuldzuweisungen würden aber die Arbeit mit Kindern und Eltern erschweren, da ihnen vielfach das Vertrauen zu Aussenstehenden fehle. Der Glaube daran, dass die Leute sie wirklich unterstützen wollen, sich für sie und ihre Probleme interessieren, sei sehr stark geschwächt, betonte Vanessa Caminada. «Es braucht einen Vertrauensvorschuss, etwas mehr, als nur ein Beratungsjob.»
Die Sucht steuert den Alltag
Die Kinder und Jugendlichen befinden sich in einer sehr schwierigen Situation, denn die Sucht der Eltern dominiere den Familienalltag. Der Kreislauf beginne sich so zu schliessen: Die Eltern sind belastet von ihrer Sucht und brauchen Zeit für die Beschaffung der Suchtmittel, vorwiegend Alkohol, und haben keine Zeit für ihre Kinder. Die Kinder und Jugendlichen würden sich vielfach schuldig fühlen, dass es so ist, erklärte Vanessa Caminada. Sie würden sich dafür verantwortlich fühlen, dass es den Eltern schlecht gehe und fragen sich, ob sie etwas falsch gemacht hätten. Dazu käme, dass das Thema Sucht sehr mit Scham behaftet sei Hilfe in Anspruch zu nehmen und die Jugendlichen wollen nicht in einen Konflikt geraten, weil sie glauben ihre Eltern zu verraten.
Immer wieder eine Hand
Für die Kinder und Jugendlichen sei die Familiensituation fast wie ein Geheimnis, das es zu hüten gelte. Wenn aber die Brücke mit dem Einzelnen gebaut werden könne und sie über ihre Situation und ihr Befinden zu reden beginnen, sei es für die Jugendlichen eine grosse Erleichterung. Dabei sei es von Bedeutung, dass ihnen (wenigstens) eine Person das Gefühl geben könne, dass sie in Ordnung sind, so wie sie sind. Der Film «Löwenzahnkind» mache zeige deutlich auf, dass es im Leben des Kindes entscheidend ist, dass ein Mensch da ist, der ihm immer wieder zur Unterstützung die Hand hinstreckt.
Die DiskuTafel Aargau ist eine Plattform für Fachleute der verschiedenen Sozialbereiche, um sich fachlich und Erfahrungen auszutauschen, sich gegenseitig zu informieren, miteinander zu reflektieren und sich stets der Frage stellen, was es noch brauche, damit es den Kindern besser gehe, erklärte Vanessa Caminada. «Was kann man verändern respektive muss mehr unterstützt werden.» Im Rahmen der nationalen Aktionswoche für Kinder von Eltern mit Suchterkrankung (11. bis 17. März) zeigt DiskuTafel Aargau den Dokumentarfilm «Löwenzahnkind mit anschliessendem Podiumsgespräch mit Betroffenen und Fachpersonen.
Richard Wurz
7. März 2024
Bild: Richard Wurz und zVg
Die öffentliche Filmvorführung «Löwenzahnkinder» mit Podiumsdiskussion findet am Montag, 11. März um 18 Uhr im Kino Aarau statt.