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Mauern schützen und verhindern.
Gesellschaft
Ein immer wiederkehrendes Wechselspiel zwischen Macht und Wohlbefinden.
Datum: 17. April 2025

Das Aufeinander- und Nebeneinanderschichten von Steinen der verschiedensten Arten unterliegt unsere Erde ständig zum Teil heftigen Veränderungen und hat eine grosse und gleichzeitig vielfach auch einschneidende Bedeutung. Die Mauern unterschiedlichster Art dienen sowohl als Schutz für den Menschen innerhalb der Mauern als auch gegen Anfeindungen von aussen. Aufgeschichtete Steine sind Markierung von Besitztum, Imponiergehabe, Ausdruck von Macht, aber auch Schutz vor Kälte, Bewegung und Verbindung mit der Natur- eine Wiederspiegelung des einzelnen Menschen oder einer Bevölkerungsgruppe hinter einer Mauer oder die Offenheit im Umgang mit Mensch und Natur. Nicht zu vergessen ist, dass Steine als kriegerische Wurfgeschosse verwendet und Menschen nach richterlichem Urteil gesteinigt werden.

Eingemauert sein
Die Ureinwohner:innen unserer Erde wohnten in Steinhöhlen und die Gründer:innen der Eidgenossenschaft stürmten die Burgen und Schlösser, welche aufgrund ihrer massiven Steinmauern fast uneinnehmbar waren. Die Erbauer von Klöstern umschlossen sich mit einer Klostermauer, damit sie sich in Ruhe ihrem religiösen Leben widmen konnten. Die Gefängnisse werden mit einer Sicherheitsmauer umgeben, damit einerseits die Gesellschaft vor den Straftäter:innen geschützt ist, andererseits denselben tagtäglich visuell deutlich wird, wo sie sich befinden. In Ägypten entstanden für die Pharaonen und Königinnen als Ruhestätte beeindruckende Pyramiden, die Könige wohnten in riesigen Schlössern und die kirchliche Obrigkeit und ihre Herrscher liessen sich imposante Dome und Paläste erbauen.

Bis 1989 war die Mauer zwischen West- und Ost-Berlin der politische Zankapfel, welcher dazu diente, von den wirklichen Problemen abzulenken. Jede Seite konnte von der anderen Seite sagen, dass sie völlig falsch in der Welt steht. Als sie abgerissen wurde, ging ein Aufschrei durch die Welt - zurückblieb (vor allem in der ehemaligen DDR) nichts als eine steinige Gröllhalde. Und in Israel wurden als Abgrenzung wieder neue Mauern gebaut.

Dem Urgestein überlassen
Die Wurfgeschosse aus Stein der 1968er Jahre wurden durch gekonnte Rethorik mit psychologischem und materiellem Hintergrund ersetzt. Die Menschen wurden und werden in betonierte Räume eingewiesen, unabhängig von jeglichem Anspruch auf Lebens- und Wohnqualität. Und für den atomaren Abfall muss jetzt aufgrund von menschlichem Urteil das Urgestein herhalten, das heisst für eine technische Fehlplanung die Verantwortung übernehmen. Damit sich die Menschen einrichten und fortbewegen können, ist es unerlässlich, dass man die Steine bearbeitet, sie zu Strassen und Gehwegen formt, Flussbette, Staudämme und Häuser baut.

«Kein notwendiges Übel»
Nur darf dabei der Stein nicht zu einem missliebigen Material verkommen, das man glaubt einsetzen zu können, wo und wie man gerade will. Im besten Fall lässt man ihn seine Art und Form in einem Garten oder Park gewähren, doch auch schon da werden die Ecken abgeschlagen, denn der Stein muss dem Auge gefallen und keinesfalls soll sich das Auge an die Formen des Steins gewöhnen. Dies würde wohl bedeuten, dass Neues entdeckt werden kann und Veränderungen möglich werden, doch dazu fehlt dem Menschen die Zeit. So hat der Stein seinen Nutzen zu bringen, dem Menschen als Verbrauchsmaterial zu dienen, ansonsten wird er irgendwo als «notwendiges Übel» der Landschaft überlassen.

Steiniger Rückhalt
Seit der Mensch denken kann, lebt er immer wieder auf einem steinigen Boden und innerhalb von steinigen Wänden. Mit Wonne geht Klein und Gross am Fluss zu sommerlicher Zeit barfuss über die Steine, geniesst die vom Stein ausstrahlende Wärme und erspürt die Formen. Mit Lust und Freude geniesst man zu Hause die Freizeit in den mitgestalteten von Steinen umrandeten Räumen - und welches gute Gefühl gibt es einem, wenn man sich an einer steinigen Wand anlehnen kann. Das wärmende Feuer im Freien wird in einem Kreis von Steinen entfacht und die flachen Schiefersteine versucht man über dem Wasser tanzen zu lassen.

Mit Innenleben
Für die Seele und das Wohlbefinden lassen Kunstschaffende aus Steinklötzen neue Formen entstehen und in Erinnerung an uns liebgewordene Menschen setzen wir auf ihrem Grab einen Stein. Mit verschiedenen grossen und kleinen Steinen kann man Musik entstehen lassen und so die Schwingungen des Innenlebens der Steine erspüren. Einen anstehenden Wutausbruch überbrückt man, in dem man die Energie mit einem in der Hand liegenden Stein austauscht. Die Indianer belegten das Medizin- und Erdrad bei der Schicksalsbefragung und Charakterbestimmung mit Steinen - und mit Steinen spielten die Kinder noch unzählige Spiele, als es weder Game-Boy noch Fernsehen gab.

«En steinige Boden», der so vieles unmöglich zu machen scheint, ist nur so steinig, weil meistens das Brett vor dem Kopf die Sicht auf die Steine versperrt und man so dauernd mit den Füssen an den Steinen anschlägt. Ein nur «geglätteter» Weg birgt aber die Gefahr in sich, ins Schleudern zu geraten.

Richard Wurz
17. April 2025
Bilder: Redaktion

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