Ein herausfinden, was geschieht
Nach dem Studium in Bildende Kunst in Luzern habe sie die Liebe zur Performance entdeckt und sei nun schon seit 30 Jahren in die Welt der Performance «versunken». Das künstlerische Schaffen von Judith Huber ist eine Vernetzung zwischen dem Erarbeiten und Entstehen lassen von eigenen Performances und dem Schaffen von Plattformen für andere Performerinnen, damit eine Auseinandersetzung mit dem Publikum stattfinden und andere Künstlerinnen ihren Raum finden können. Die Performance sei für sie eine Suche nach einem Körpergefühl, so dass etwas entstehen könne, erklärte sie und hielt fest: «Ich will kein aktuelles Thema in die künstlerische Arbeit hineinnehmen – ich könnte so irgendwie nicht arbeiten.» So beginne sie ihre Arbeit (fast) ohne nichts, damit ein Prozess ausgelöst und das Körpergefühl und der Intellekt sich verkoppeln können – der Körper und das Ereignis werden eins.
Eine Welt der Wahrnehmung
Bei einer Ausstellung habe sie nach der Eröffnung das Gefühl, dass die persönliche Entwicklung wie hintenanstehe und wenn sie den Inhalt und die Form vor der Aufführung erklären müsse, sei das für sie wie ein Vermittlungsprogramm, erklärte Judith Huber. Bei einer Performance wisse man nicht, was passieren werde und das Publikum und die Künstlerin sei auf sich selbst gestellt. Man müsse offen sein für das Geschehnis und unbelastet von einem «Wissen-Gefühl» sich auf die Performance einlassen. Sie stellte aber klar, dass sie nicht mit dem Vorsatz eine Performance gestalten wolle, die allen gefällt, aber ein Erlebnis schaffen, in dem das Publikum herausfinden und spüren könne, was geschehe. «Wenn man eine Performance sieht, dann bleibt etwas hängen, einfach nicht bei jedem das Gleiche.» Man müsse einfach unvoreingenommen schauen, fühlen, am besten nicht denken, sondern nehmen, was einem entgegenkommt und was es mit einem selber macht. Eine Performance werde dann gut, wenn man selber mit Offenheit komme, so Judith Huber, und betonte gleichzeitig: «Aber das kann man nicht erzwingen.»
Judith Huber
Einen Gruss an die Grossmutter
Als vor langer Zeit ihr Vater die Wohnung habe räumen müssen, habe er ihr eine kleine, eine wirklich kleine, Schachtel geschenkt mit vielen Geschichten wie Stammbaum, Wappen und so. Das habe bei ihr ein Rumoren im ganzen Körper ausgelöst, erinnerte sich Judith Huber. Sie habe nicht einmal den Namen ihrer Grossmutter gekannt und sie im Alltag wie irgendwie verschwommen erlebt. Der Grossvater habe problemlos den ganzen Raum eingenommen und der Grossmutter das Umfeld überlassen, die sich verkrümelt habe. Sie sei mit dieser Sensibilität aufgewachsen und es begann «ein Prozess was wir auf dieser Erde sind und was uns geprägt habe». In ihrem Schaffen sei es ein stetiges Hinterfragen und gleichzeitig eine Auseinandersetzung mit Frauen und im Umgang mit dem Mann-Frau-Denken. Es habe sich im patriarchalischen Denken und Handeln vieles verändert, aber es gebe noch viel zu tun, betonte Judith Huber. Nach wie vor sei es ein grosses Thema, daher arbeite sie immer mit ihrem Selbstwertgefühl und «ich nehme mich ernst». Die Männer selbst sollen sich nicht betroffen fühlen, sondern sich fragen, wo sie als Mann noch drin sind und gemeinsam mit den Frauen die Begebenheiten herauskristallisieren und Lösungen für beide Seiten angehen.
Was kann entstehen
Im Rahmen der Ausstellung «Venus von Muri» finde auch ein Venus-Frauentag statt, wies Judith Huber hin. Es werde eine Performance, in der Ida, Klara, Berta, Alice und sie die Grossmütter begrüssen und dann das Mikrofon für alle Frauen öffnen würden und so einen Raum schaffen für Gedanken, Wünsche und Ideen. Wenn man einem Menschen, der nie Platz gehabt hat, Raum gebe, blühe er auf und es gebe einen Zusammenhang mit der Gesellschaft von gestern und heute. «Der grosse Zusammenhang ist Muri als Ort, wo Frauen nie oder versteckt vorkamen und jetzt sichtbar werden und vorkommen.» Man könne in einem solchen Moment von der Geschichte des Klosters etwas herausnehmen und es einfach schön finden, was es geben kann. Sie betonte aber, dass bei allem Respekt das Kloster nur ein Nebengleis sei und man das Thema als Ganzes neu anschauen müsse, denn das Bild der Frau von damals werde in das Heute miteinbezogen. Letztlich bracht es Judith Huber so auf den Punkt: «Wenn man das ganze Projekt ‹Venus von Muri› so wahrnehme, wie es daherkommt, dann ist eine unheimliche Kraft drin. Das ist sehr wertvoll, denn das Projekt beinhalte Energien, die etwas sagen und ausstrahlen.»
Richard Wurz
7. Juni 2024
Bilder: Patrick Honegger
Illustration: Karin Köpfli-Fehlmann
Der Venus-Frauentag findet am Sonntag, 23. Juni von 14 bis 17 Uhr im Klosterhof Muri statt. Weitere Informationen unter www.murikultur.ch
Der nächste Kafi-Tratsch findet am Samstag, 29. Juni um 10 Uhr im Foyer des Kellertheaters Bremgarten statt.